7 Etappe von Vieste nach Manfredonia

7 Etappe von Vieste nach Manfredonia

Heute ist ein besonderer Tag auf meiner Tour.
Die Fahrt von Vieste nach Marinata konnte mir nicht langsam genug sein. Sonst drücke ich auch am Berg, was möglich ist. Aber heute hätten diese 20 km gar nicht aufhören dürfen.

Ich war allein, kein Handyempfang: nur die tolle Landschaft, grandiose Blicke auf Buchten und Meer, 5 Autos in 1,5 Stunden, eine Stille, die ich hören konnte. Es ergriff mich ein Gefühl, ja wie soll ich es beschreiben, von tiefer Ruhe und Geborgenheit. Diese Zeit hatte für mich etwas Erhabenes und ich hatte am ganzen Körper (trotz fast gleichzeitig gefahrenen 800 Höhenmetern) permanent Gänsehaut. Ich beschrieb es schon beim Erleben so: das Glück hat mich heute gefunden. Ich hatte nichts dafür getan und es war anders als gestern, als ich das Gefühl hatte, dass ich mir meinen Traum erfülle. Gestern hatte ich aktiv geackert und war zielorientiert – heute hatte ich mir, und das wurde mir erst später klar, kein festes Ziel oder irgendwelche Kilometerzahlen verordnet.

Für meine Träume kann ich etwas tun – Für Glück kann ich bereit sein, damit es mich finden kann.

Bitte verzeiht die Unvollständigkeit meiner Worte für dieses Erlebnis, das so selten ist.

P.S. Nebenher noch 80 Km mit 1000 HM gefahren.
Aber das war heute nicht so wichtig!

8. Tagesetappe von Manfredonia nach Polignano a Mare/Lecce

8. Tagesetappe von Manfredonia nach Polignano a Mare/Lecce

Bei super Wetter schon um 8.00 Uhr gestartet und mit Rückenwind gen Süden geflogen – allerdings nach 32 km schmerzlich ausgebremst mit dem ersten Speichenbruch im Hinterrad.
Zum Glück im nächsten Ort sofort einen Schrauber gefunden, der den Schaden professionell behob.

Weiter ging’s mit gutem Wind Richtung Bari. Chaotische Verkehrsanzeigen ermöglichten es mir leider nicht, ins Zentrum vorzustoßen. Irgendwann dann wieder auf die Superstrada 16 ausgewichen, die in und um Bari 6spurig ausgebaut ist.

An das Fahren mit den Italienern habe ich mich gewöhnt: ich mach mein Ding, bleibe möglichst ganz weit rechts ( wo der Belag oft am Besten, weil nicht abgefahren ist) oder weiche bei ganz schlechtem Belag auch schon mal Richtung Stassenmitte aus. Zu Hilfe kommt mir der extrem gut sichtbare Regenschutz meines Rucksacks und der extra am linken Unterlenker montierte Rückspiegel.

Die ersten drei Tage waren schon gewöhnungsbedürftig, weil das mit dem Seitenabstand hier oft nicht wirklich genau genommen wird – wie in Deutschland nicht anders.

Am nächsten kamen mir bisher die öffentlichen Busse – als ob deren Fahrer noch die Geschwindigkeit meines Tachos ablesen wollte.

Später hinter Bari kam dann das erste mal „der Mann mit dem Hammer“. Ein Hungerast zwang mich in ein Café, wo ich umgehend 2 Stücke fetter Torte zu mir nahm, nein nehmen musste. Die Batterie war einfach leer.

Der Rest waren noch einige km bis nach Polignano a Mare, wo die Hotelsuche erfolglos blieb. Auswahlkriterium war ein Haus, das eine Waschmaschine Wäsche bereit war zu waschen.
Meine Sportwäsche kann ich beim besten Willen nicht mehr anziehen.

Da ich keins fand, entschloss ich mich, noch die 1,5 Stunden Bahnfahrt nach Lecce auf mich zu nehmen, wo ich im Dunkeln ankam und sich die Hotelsuche als recht schwierig herausstellte.

Unter gekommen bin ich in einem bed and breakfast „Hôtel“, mitten in der historischen Altstadt, was Lärm bis 2.30 Uhr heute morgen bedeutete.

Wer die Gelegenheit hat: Lecce ist traumhaft schön und gerade in der Nacht. Also nix wie hin.

Es waren zum Schluss des Tages 150 km bei gut 300 Höhenmetern – also eine richtige Flachetappe.

Morgens nicht wissen wo ich abends ankomme – das ist für mich Urlaub. Allerdings ist es Zuhause ja gar nicht anders. Ich gehe aus dem Haus und weiß nicht, ob ich abends wieder durch die selbe Tür zurückkomme.

Nur meine Vollkaskodenke versucht alles abzusichern. Einer der Beatles hat mal gesagt: „Leben ist das, was gerade geschieht, während Du andere Pläne machst“.

Kann dies, ja muss dies denn nicht bedeuten, jeden Tag so zu leben , als ist es mein letzter. Schon die Aussage: „als wäre es mein letzter“ kalkuliert ein, dass es noch weitere geben kann.

Wenn es aber mein letzter ist, was tue ich dann noch? Wem sage ich heute noch, wieviel er mir bedeutet? Welchen kleinkarierten Konflikt kläre/beende ich heute? Wem schenke ich ab sofort mein Lächeln und mache die Welt damit besser? Welches Apfelbäumchen pflanze ich noch heute?

Ich weiß, das Leben findet hier und heute statt: nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Ich will es mir heute ganz besonders auf meine Fahne schreiben, und morgen und übermorgen …

9. Tagesetappe von Lecce nach Tarent

9. Tagesetappe von Lecce nach Tarent

Nach einem „schwindeligen“ italienischen Frühstück ohne wirkliche Energiezufuhr schaue ich mir Lecce noch ein wenig bei Tageslicht an.

Gegen 11.00 Uhr sitze ich wieder auf meiner Maschine und suche mir den Weg über Land nach Tarent.
Bis auf ein gutes Mittagessen und einen starken Regen, der mich wieder komplett durchnässt, geschieht nichts Aufregendes. Landschaftlich ist diese Etappe unspektakulär.

Allerdings habe ich zum ersten Mal sehr unangenehme Leistenbeschwerden, derer ich durch das Absenken der Sattelstütze um 1 cm Herr zu werden versuche. Dies bringt aber nur kurze Besserung. Erst die bewusste, nach innen, zum Rahmen, gerichtete Tretbewegung des linken Beines, lindert die Schmerzen.

Eine sehr schöne Unterkunft finde ich auf 36 ha großen Altstadtinsel von Tarent mit Blick auf die Bucht.

Endlich habe ich auch wieder die Gelegenheit, meine Wäsche waschen zu lassen: welch eine Wohltat! Wie wenig ist mir diese Selbstverständlichkeit als Luxus im Alltag noch bewusst.

Abends findet eine Schiffsprozession zu Ehren des örtlichen Heiligen statt: die ganze Stadt ist auf den Beinen, um die hell beleuchteten Schiffe zu sehen.

Die ersten 1000 km sind gefahren – wie geht meine Reise weiter. Ich bin selbst gespannt und lasse morgen meinen Bauch entscheiden. Mein Körper setzt mittlerweile aber einige Signale für eine Pause.

 

 

Land und Leute

Beobachte gerade in Tarent eine Gruppe von Taubstummen bei ihrem Gespräch. Diese Ruhe ist mir sehr angenehm im Vergleich zu der doch sehr lauten Landes typischen Form, wie sich Italiener sonst verständigen.

Mir gefällt sehr, wie sie sich im Gespräch ganz auf ihr jeweiliges Gegenüber einlassen. Allerdings habe ich es bisher in Gruppen nicht erlebt, dass Gesprächspausen entstanden.

Ständiger Lärm ist für mich sehr unangenehm in Italien: an viel zu vielen öffentlichen Orten läuft sehr laut ein Fernseher mit irgendeiner drittklassigen Show – selbst auf den Bahnsteigen der Bahnhöfe plärrt Musik aus den Lautsprechern. Diese Lautstärke aus den Boxen will natürlich überstimmt werden.

Gut gefällt mir, dass jedermann in der Bar schnell auf einen Espresso kommt, ein kurzes Schwätzchen hält und sich dann wieder seines Weges trollt.

Was mir aber wirklich übel aufstößt ist die Tatsache, dass die Italiener, je südlicher Ich komme, ganz wenig bis keinerlei Bewusstsein für Abfallentsorgung entwickelt haben. Der Müll wird in die Landschaft entsorgt, bevorzugter weise an den Strassen aus dem Auto geworfen. Anders kann ich mir die Abfälle aller Art an den Strassen nicht erklären.

Einige Infos zum Fahrer und zum Fahrrad

Mit meinem Körpermaß (95 kg und 198 cm) habe ich zum Radfahren bestimmt kein Gardemaß. Den Berg hinauf fahre ich zwar sehr gerne – lieber als hinunter, denn die hohen Geschwindigkeiten sind doch sehr gefährlich – aber irgendwann ist Schluss. Auch mit viel Training ist da nur bedingt etwas erreichbar.

Meine Stärke liegt auf Grund der langen Hebel/Beine in der Ebene oder leicht welligem Gelände, wo ich mit dem großen Blatt über den ein oder anderen Hügel „drüber drücken“ kann.

Den „Stiefel“ fahre ich mit einem 64 cm Cube Carbon Rahmen und einer Shimano Ultegra 10 fach hinten und 3 Kettenblätter vorne.

Die Laufräder sind stabile Hochfelgen von Easton und als Reifen verwende ich die 25 mm Conti Grand Prix 4 Season mit extra Pannenschutz. Diese Reifen haben auch auf den Regenetappen hervorragende Dienste geleistet und haben wegen der 25 mm auch gute Dämpfungseigenschaften.

Ein Speichenbruch ist das bisher einzige Malheur gewesen.

Komplettiert wird das Rad durch Vorder- und Rücklicht und einen Fahrradcomputer mit Höhenmesser. Schutzbleche sind nicht angebracht.

10. Tagesetappe von Tarent nach Sibari

10. Tagesetappe von Tarent nach Sibari

Mit Tarent verlasse ich den Stiefelabsatz und biege ein auf die „Stiefelsohle“.

Heute morgen nach dem Aufstehen war der Plan, mich in Tarent in den Zug zu setzen, um wegen der recht langweiligen Küstenstrasse einige 100 km Richtung Sizilien zu überbrücken.

Doch als ich wahrnahm, welch einen super Rückenwind ich heute hätte, konnte ich es nicht lassen und legte die ersten 50 km mit einem knappen 33 Schnitt zurück – die pure Lust.

Dann aber nahm ich den Zug bis Sibari, traf Jean Marie, 65 Jahre alt, Belgier aus Le Panne, mit dem ich gerade lustig essen war und alles war gut.

Ein tolles Erlebnis war die Fahrt mit der Eisenbahn schon – ein kleines Video aus dem Führerhaus wird Euch das verdeutlichen.

In Sibari wurde mir schlagartig klar, wie sinnlos EU Gelder ausgegeben werden: dort, wo niemand mit dem Fahrrad in der Bahn verreist, ist vor kurzem ein komplett neuer Bahnhof mit Fahrradtunnel und Fahrradaufgang entstanden. So etwas habe ich bisher noch in keiner deutschen Grosstadt gesehen: einfach nur unglaublich und zeigt, zu welchen Sinnlosigkeiten die EU fähig ist.

Zumindest mit den Füßen war ich im Meer – zu mehr reichte die Energie nicht.

Und da wir heute Abend die Information bekamen, dass die Super Strada Jonica ( das Meer ist jetzt das ionische Meer und nicht mehr die Adria), ab hier deutlich enger würde und damit auch gefährlicher, stand fest, dass ich morgen um 9.10 Uhr mit der Bahn mich nach Reggio di Calabria in Bewegung setzen würde, um übermorgen dann auf Sizilien die Ätnarunde zu fahren.

Mit meiner Familie konnte ich am Strand von Sibari telefonieren – wegen einer Familienfeier waren all meine Lieben zusammen.
Gerne wäre ich in dem Moment bei Ihnen gewesen. Aber genau das ist auch ein Grund für solch eine Reise: zu spüren, wie wichtig das ist, was man vorübergehend zurück lässt und sich jetzt schon auf das Wiedersehen zu freuen.